
Kinematik: Einfacher Masseverschluss
Der Masseverschluss ist die einfachste Form eines Verschlusses bei Feuerwaffen. Er verriegelt die Waffe nicht formschlüssig sondern sorgt alleine durch seine Masseträgheit dafür, dass sich der Verschluss nicht zu schnell vollständig öffnet und somit die S-Strecke überschritten wird.
Häufig wird fälschlicherweise behauptet, dass durch die Masse des Masseverschlusses zunächst gar keine Öffnungsbewegung stattfinden kann, bis dieser eine gewisse Kraft aufgenommen hat. Dies ist jedoch falsch und widerspricht den physikalischen Gesetzen. In der Realität bewegst sich der Masseverschluss sofort sobald die Stoßbodenkräfte auftreten. Seine Bewegung wird jedoch durch seine Masse verlangsamt.
In älterer Literatur tauchen Masseverschlüsse oft als Feder-Masse-Verschlüsse oder sogar nur Federverschlüsse auf. Dies ist jedoch nur für Zimmerpatronen wie 6 mm Flobert zutreffend, da die Federspannung bei modernen Zentralfeuermunition keine entscheidende Größe mehr darstellt.
Einfache Masseverschlüsse[]
Als einfach bezeichnet man Masseverschlüsse, welche auf reine Masse setzten. Damit unterscheiden sie sich von übersetzten Masseverschlüssen und belasteten Masseverschlüssen.
Vorteile[]
Masseverschlüsse sind einfach und günstig zu konstruieren und benötigen als einfache Ausführung keine Verriegelungselemente, um den Verschluss im Gehäuse zu verriegeln oder den Verschluss an den Lauf zu koppeln. Dadurch kann der Lauf fest mit dem Waffengehäuse oder dem Griffstück einer Pistole verbunden werden, was die Präzision verbessert. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass Masseverschlüsse nicht ganz geschlossen sein müssen, um ihren vollen Ruhewert zu erreichen, da sie keine Verriegelungselemente versenken müssen, sondern durch ihre meist unveränderliche Masse immer den gleichen Ruhewert aufweisen.
Ein großer Vorteil von Masseverschlüssen ist zudem die Impulsgleichheit. Da sich Geschoss und Verschluss Zeitgleich in unterschiedliche Richtungen bewegen und dabei, mit den Pulvergase, auch noch von der gleichen Kraft angetrieben werden, erzeugen beide Bewegungen, ergo Impulse, sehr ähnliche Gegenreaktionen nach dem 3. Gesetzt nach Isaac Newton. Bei Waffen mit unbeweglichem Verschluss verursacht das Geschoss Rückstoß welcher so über den starren Verschluss auf das Waffengehäuse übergeht. Bei einem freien Masseverschluss erzeugt auch der rücklaufende Verschluss eine Gegenreaktion, welche die des Geschosses, den Geschossrückstoß, teilweise aufhebt. Der Unterschied ist lediglich, dass das Geschoss den Kontakt mit der Waffe abbricht, wohingegen der Verschluss in der Waffe verbleibt und seine Rücklaufenergie beim Anstoßen hinten um Gehäuse auf die Waffe überträgt, sollte es sich um einen totlaufenden Verschluss handeln. Waffen mit Masseverschlüssen haben wegen dieser Impulsgleichheit ein deutlich anderen Rückschlagverhalten, welches als sanfter aber länger andauert beschreiben werden kann.
Nachteile[]
Bei stärker werdender Ladung, muss die Masse des Masseverschlusses immer wieder ansteigen, um die Verschlussrücklaufgeschwindigkeit soweit zu verlangsamen, dass die S-Strecke nicht überschritten wird. Theoretisch sind Masseverschlüsse selbst mit Patronen wie 20x128 mm noch denkbar und mit der Oerlikon Maschinenkanone auch realisiert worden. Die Behauptung es gäbe mit zb. 9x19mm Para eine Grenze für Masseverschlüsse ist aus diesem Grund zurückzuweisen. Der 5kg schwere Verschluss, welcher für die sichere Verwendung von 7,62x51mm NATO verwendet werden müsste ist jedoch für Infanteriewaffen zu unpraktisch.
Da sich der Verschluss bereits mit dem Einsetzen der Stoßbodenkräfte beginnt zu bewegen, bewegt sich auf der Stoßboden bereits, wenn sich das Geschoss noch durch den Lauf bewegt. Das Resultat ist eine deutlich schlechtere Präzision, als bei Waffen mit zeitlich verzögerter Verschlussöffnung. Mit Ausnahme vom Rückstoßladern mit kurz- und lang zurückgeleitendem Lauf, wo die Laufbewegung der Präzision beeinträchtigt.
Masseverschluss mit Vorlaufzündung[]
Bei einer Vorlaufzündung im Sinne von Zündung noch während Vorlaufes wird die Patrone gezündet, noch bevor der Verschluss seine endgültige vorderste Position erreicht hat. Dies hat den Effekt, das der Verschluss zu diesem Zeitpunkt noch Bewegungsenergie in Laufrichtig besitzt. Die bei der Zündung auftretenden Stoßbodenkräfte, müssen zunächst diese Restvorlaufenergie ausgleichen, bis sie in der Lage sind, den Verschluss zu einer Rückwärtsbewegung zu zwingen. Dadurch kann der Verschluss den Stoßbodenkräften mehr Widerstand entgegenstellen als im Ruhezustand.
Auch wenn früher oft behauptet wurde, dass zuschießende Maschinenpistolen wie zb. die Uzi Vorlaufzündung in diesem Sinne aufweisen würde, ist dies mittlerweile durch Experimente widerlegt worden. Vorlaufzündung findet sind nur bei Geschützen wie der Oerlikon Maschinenkanone. Das Problem bei Handfeuerwaffe ist, dass ein entsprechendes Gegenlager zur Quetschung des Zündhütchens fehlt und dieses meist erst in der Patronenkammer geschieht.
Delineare Masseverschlüsse[]
Im Kontrast zu linearen Masseverschlüssen bewegen sich ein delinearer Masseverschluss nicht gerade nach hinten, sondern meist nach unten. Bekanntester Vertreter dieser Kategorie ist die us-amerikanische Maschinenpistole KRISS Vector, dessen einfacher Masseverschluss sich nach unten Bewegt, um so die Waffe nach unten drückt und so den Hochschlag entgegen wirken soll.
Übersetzter Masseverschluss[]
Da eine Waffe für die Patrone 7,62x51mm NATO einen einfachen Masseverschluss von 5kg benötigen würde, um die S-Strecke nicht zu überschreiben, verwendet man bei einigen Masseverschlüssen mechanische Übersetzungen, um virtuelle Masse zu erzeugen. Dazu wird der Verschluss in zwei Massen aufgeteilt, einmal den Verschlusskopf, auch Startmasse genannt, diese Masse wird direkt vom Gasdruck über die Patronenhülse angetrieben. Der Großteil der Masse wird jedoch im Verschlussträger untergebracht, welche dann als Hauptmasse bezeichnet wird. Zwischen beiden Massen kommt meist ein mechanisches Übersetzungselement zum Einsatz wie ein Hebel (FAMAS) oder Rollen HK G3. Manchmal wird jedoch auch eine Steuerkurve (CMMG Banshee) verwendet. Wird nun die Startmasse 1 mm nach hinten bewegt, so wird die Hauptmasse bei einer Übersetzung von 1:5 5 mm nach hinten bewegt, was deutlich mehr Kraft erfordert, als würde man Startmasse und Hauptmasse zusammen, ohne Übersetzung, 1 mm nach hinten bewegen. Es wird durch einen mechanischen Nachteil virtuelle Masse erzeugt.
Beispielrechnung[]
Um die virtuelle Masse eines übersetzten Verschlusses zu bestimmen, bedient man sich der Französischen Formel, diese leutet:
Virtuelle Masse = Startmasse + ( Hauptmasse * Übersetzung² )
Für das französischen Sturmgewehr FAMAS ergäbe sich:
2300 g = 140 g + ( 240 g * 3² )
Obwohl der Verschlusskopf gerade mal 140 Gramm und der Verschlussträger 240 Gramm wiegen, erzeugt die Übersetzung von 1:3 eine thoeritische virtuelle Masse von 2,3 Kilo. In der Realität kommen noch das Gewicht des Schleuderhebels und andere Kleinteile dazu.
Vorteil[]
Waffen die sonst Verschlüsse von mehreren Kilo Gewicht benötigen würden, kommen durch übersetzte Masseverschlüsse mit Verschlüssen von einigen hundert Gramm aus. Auch hier kann die Impulsgleichheit den Geschossrückstoß gut ausgleichen.
Nachteile[]
Die Übersetzungselemente müssen sehr präzise gefertigt werden und müssen enormen Kräften standhalten. Gleiches gilt für die Eingrifftaschen im Waffengehäuse für diese Elemente. Die Verschlussträger, ergo die Hauptmasse, erreichen durch die Abschleuderung teilweise hohe Rücklaufgeschwindigkeiten und müssen am Waffengehäuseheck meist von Puffereinrichtungen gefangen werden.
Übermasseverschluss[]
Beim Übermasseverschluss wird dem Verschluss eine so große Masse gegeben, dass die Verwendete Munition diesen nicht weit genug antreiben kann, dass eine selbsttätige Verschlussöffnung möglich ist. Dies wird unter anderem bei Zimmerpatronen- und Kleinkaliberwaffen getan, um einfach günstige Verschlüsse zu produzieren welche vom Schützen leicht repetiert werden können.
Synonyme Verwendung des Begriffs[]
Oft wird das Wort Masseverschluss entweder als direkte Übersetzung vom englischen Blowback verwendet oder es wird im Deutschen mit direkter Gasdrucklader (Waffenindustriesprache) und Rückdrucklader (amerikanisierte Waffensprache) gleichgesetzt.
Dies ist jedoch nicht zulässig, da es auch Waffen gibt, welche durch direkt wirkenden Gasdruck (Rückdruck) angetrieben werden, jedoch nicht auf die Masseträgheit des Verschlusses angewiesen sind, wie der schweizerische MKMO. Der SIG MKMO besitzt einen Kippblockverschluss welcher, nach einigen Millimetern des durch direkten Gasdruck angetriebene Rücklaufes, im Gehäuse formschlüssig verriegelt. Der MKMO ist also ein direkter Gasdrucklader/Rückdrucklader mit Kippblockverschluss.
Auf der anderen Seite besitzt die russische Selbstladepistole PSS einen Masseverschluss, kann aber, nach Ansicht von Peter Dannecker nicht durch den direkten Gasdruck/Rückdruck angetrieben werden, da der Gasdruck in der versiegelten Patronenhülse der Waffe zurückgehalten wird. Die PSS ist also ein Rückstoßlader mit Masseverschluss.
Falschbehauptungen zum Antrieb[]
In veralteter Literatur sowie in unzureichend recherchierten oder unsachgemäß übersetzten Sachbüchern findet sich als Antrieb für Masseverschlüsse immer mal wieder der Rückstoß, dies ist jedoch aus Sicht der physikalischen Mechanik jedoch nicht zutreffend. Masseverschlüsse werden durch die Stoßbodenkraft des direkten Gasdrucks angetrieben, welcher die Patronenhülse wie einen Hohlkolben nach hinten aus dem Patronenlager schiebt, diese Bewegung überträgt sich auf den Masseverschluss.
Eine seltene Ausnahme stellt die russische Selbstladepistole PSS dar, diese hält die Pulvergase in der Patronenhülse zurück und kann so, nach Ansicht von Peter Dannecker, den Verschluss nicht durch direkten Gasdruck antreiben.